Vor 75 Jahren brannten die Bücher - Ein Leserbrief von Franziska Schwarz -
Kann man es sich heute überhaupt noch vorstellen? Am 10. Mai 1933 schleuderten Studenten in SA-Uniform Bücher von Bertolt Brecht, Heinrich Mann, Kurt Tucholsky, Sigmund Freud und vielen weiteren Schriftstellern und Wissenschaftlern in riesige Scheiterhaufen, die auf zentralen Plätzen in Universitätsstädten, darunter auch in Göttingen, loderten. Auch sozialdemokratische und gewerkschaftliche Schriften wurden verbrannt, nicht weit von hier: Der Scheiterhaufen vor dem sozialdemokratischen Volksfreundehaus in Braunschweig brannte drei Tage und drei Nächte. Filmsequenzen belegen, dass Hohn und Beifall die Bücherverbrennungen begleiteten. In der Folge verschwanden die von den Nazis als „undeutsch“ oder „dekadent“ bezeichneten Werke aus öffentlichen und privaten Büchereien, aus Schulen, Universitäten und Buchhandlungen. Namhafte Schriftsteller und Gelehrte erhielten Berufsverbot, flohen aus Deutschland oder wurden inhaftiert. Mit den Bücherverbrennungen wurden zahlreiche
Dichter aus dem Gedächtnis der Öffentlichkeit getilgt. Nach Ende der Nazi-Herrschaft 1945 blieben viele von ihnen weitgehend unbekannt, z.B. Walter Hasenclever, Klabund, Ernst Toller, Claire Goll und Else Lasker-Schüler. Aus verbrannten Büchern wurden „verbrannte Dichter“…
Heute, nach einem dreiviertel Jahrhundert, haben wir Anlass genug, das Recht auf freie Meinungsäußerung und künstlerische Freiheit zu wahren, die Erinnerung an das Unrecht der Nazi-Zeit wach zu halten, die „verbrannten Bücher“ in Schulen und Büchereien wiederzusuchen und das (wieder-)Lesen, wo immer es möglich ist, zu fördern (zumal in der „Stadt der ersten deutschen Dichterin Roswitha“). Nebenbei: Auch dafür brauchen wir weiterhin eine öffentliche Bücherei in Bad Gandersheim!
gez.
Franziska Schwarz
Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Bad Gandersheim