„Dem Deutschen Volke“ steht über dem Eingang zum Berliner Reichstag. Ein symbolischer Hintergrund für die Bürgerinitiativen, um davor die Mülltonne aufzustellen, in der die Bürgerrechte und der Umweltschutz entsorgt werden – und zwar vom neuen Gesetzentwurf des Bundeskabinetts, wie die Initiativen-Vertreter Heike Krause, Norbert Braun (beide Niedersachsen), Klaus Rohmund (Hessen) und Anette Martin (Bayern) meinen.



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380-KV-Leitung: Bürgerinitiativen kritisieren deutschlandweit scharf das vom Bundeskabinett beschlossene Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen (EnLAG)

Berlin - Auf den ersten Blick klingt die Nachricht gut: Das Bundeswirtschaftsministerium hat mitgeteilt, dass die geplante 380-kV-Höchstspannungsleitung zwischen Wahle und Mecklar zu den vier Pilotprojekten gehört, in denen anstatt Freileitungen auch Erdkabel gelegt werden können. „Der ganze Gesetzentwurf strotzt nur so von Können und Wollen, rechtlich verbindlich können die Stromkonzerne nicht zum Erdkabel gezwungen werden – auch nicht bei Abständen unter 400 m“, sagt Norbert Braun, Sprecher der Bürgerinitiative Freileitungsgegner Bad Gandersheim/Kreiensen.“

Zusammen mit bundesdeutschen Vertretern von Bürgerinitiativen war Braun am Donnerstag im Bundesumweltministerium in Berlin um zu klären, welche Folgen der im Bundeskabinett verabschiedete Gesetzentwurf für das weitere Vorgehen in Sachen Höchstspannungs-leitung für die Niedersächsisch-Hessische Trasse hat. Der Bau von Höchstspannungsleitungen zum Abtransport der Windenergie und konventioneller Kohleenergie aus dem Norden soll gesetzmäßig festgeschrieben werden, ohne dass im Einzelfall deren Notwendigkeit bewiesen werden muss. Die Grundrechte der Bürger und sogar der Städte und Gemeinden werden damit systematisch ausgeschaltet. Das Bundeswirtschaftsministerium erfüllt die Wünsche der Energiekonzerne und ignoriert die Sorgen und Nöte der Bürger.

Mit dem Gesetz soll beschlossen werden, dass erst- und letztinstanzlich das Bundesverwaltungsgericht für die Klagen zuständig ist. Das heißt, es kann nur noch vor diesem Gericht geklagt werden und es gibt keine Möglichkeit der Revision mehr. Das ist bereits bei ICE-Strecken und der Autobahnplanung so und soll mit diesem Gesetz auch für Höchstspannungsleitungen durchgesetzt werden. Damit wird das Wenige, was bisher in Niedersachsen mit dem Erdkabelgesetz erreicht wurde, wieder außer Kraft gesetzt. Das Niedersächsische Erdkabelgesetz wird faktisch wertlos, wenn der jetzige Kabinettsbeschluss unverändert Bundesrat und Bundestag passiert. In Landschaftsschutzgebieten wäre eine Erdverkabelung nicht einmal mehr möglich, da das Bundesgesetz hier keine Ausnahmeregelung mehr anbietet.

Verkürzt formuliert heißt es in der Gesetzesvorlage: Die Stromkonzerne können verkabeln. Es wird ihnen Erdverkabelung empfohlen bei technischer und wirtschaftlicher Effizienz und wenn durch eine Freileitung gewisse Abstände zur Wohnbebauung unterschritten werden. Die Politiker im Ministerium glauben, dass sich die Stromversorger/Netzbetreiber an die Mindestabstände halten werden und reden andernfalls von einem Gesichtsverlust, den sich die Betreiber nicht erlauben könnten. Dass dies den Betreibern so freigestellt wird, halten die Initiativen für einen weiteren Sieg des Lobbyismus über die Bürgerrechte.

Zusammen mit Bürgerinitiativen aus Hessen, Thüringen, Westfalen, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern werden die niedersächsischen BI’s nicht aufhören, gegen die Freileitungen vorzugehen. Jeder Kilometer, der verkabelt wird, ist ein Erfolg. Der Widerstand geht auf jeden Fall weiter – und wenn es sein muss auch vor dem Bundesverwaltungsgericht.

In diesem Zusammenhang interessant sind auch Hinweise aus dem Bundesumweltministerium darauf, warum die Energieversorger bisher die sinnvolle Höchstspannungsgleichstromübertragung (HGÜ) ablehnen: Anders als bei Gleichstrom benötigt man in Süddeutschland bei Wechselstrom aus technischen Gründen weiterhin Kraftwerkskapazitäten. Sollte dies ein Argument sein, mit dem später die Politik zu weiteren Zugeständnissen in der Frage der Verlängerung von Kernkraftwerkslaufzeiten erpresst werden kann?