Der Ratsbeschluss, Bürgermeister Ehmen von seinen repräsentativen Aufgaben zu befreien, hat für Schlagzeilen gesorgt, nicht nur in Bad Gandersheim, auch in überregionalen Medien.

Vielleicht eignet sich dieser Beschluss für eine Satire, da so etwas in Niedersachsen noch nicht vorgekommen ist und die Sache wohl rechtlich keinen Bestand haben wird. Schauen die Journalisten jedoch genauer auf diese Stadt und die Vorgeschichte dieser Entscheidung, wird Ihnen klar, dass weder den hiesigen Ratsmitgliedern noch der Bevölkerung zum Lachen zumute ist.



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Die Stadt Bad Gandersheim ist heillos überschuldet und die Spuren eines „Abstiegs“ sind in verschiedenen Bereichen der Stadt bereits deutlich sichtbar.

• Leerstehende Geschäfte • Leere Einkaufsstraßen zu besten Geschäftszeiten • Ein schöner Frühsommer, aber ein geschlossenes Freibad • Eine schon lange leer stehende, ehemals städtische, Kurklinik • Ein marodes Kurhaus • Ein insgesamt unansehnlicher werdendes Stadtbild • Und, und , und…

Beim Lesen dieser Aufzählung werden den Bürgerinnen und Bürgern noch etliche weitere Punkte einfallen, die hier aber nicht alle aufgeführt werden können.

Natürlich kann man für alle diese Missstände nicht allein den Bürgermeister verantwortlich machen. Wir wissen, dass durch die Gesundheitsreform in den 90er Jahren Bad Gandersheim wie viele andere Kurorte auch in eine schwere Krise geraten ist, und dass durch die Wiedervereinigung die so genannten „Zonenrandfördermittel“ und damit eine weitere Einnahmequelle weggefallen sind.

In dieser Situation war also gutes Krisenmanagement gefragt. Noch mal zur Erinnerung: Herr Ehmen ist seit 1993 Hauptverwaltungsbeamter in Bad Gandersheim, bis 2001war er Stadtdirektor und ist seitdem hauptamtlicher Bürgermeister. Sein Krisenmanagement in dieser Zeit war aber leider alles andere als erfolgreich. Die städtische Kurklinik konnte nicht gerettet werden und wurde geschlossen, eine neue Nutzung des Gebäudes, mehrfach von Herrn Ehmen in Aussicht gestellt – unter anderem als 5-Sterne Hotel! – ist nicht in Sicht. Die Verhandlungen mit potentiellen Investoren sind gescheitert. Genauso wie der Versuch, die städtischen Immobilien Kurmittelhaus und Kurhaus zu verkaufen, um so die immensen Unterhaltungskosten los zu werden, die den Haushalt stark belasten. Langwierige Verhandlungen mit verschiedenen Interessenten haben auch hier zu keinem Ergebnis geführt.

Der größte Reinfall jedoch ist die Posse um das städtische Schwimmbad. Mehrere hunderttausend Euro für Gutachten wurden ausgegeben, etliche Investoren und tollste Konzepte für ein Spaß- und Freizeitbad, ein Wellnessbad und schließlich wieder ein ganz normales Schwimmbad hat es gegeben, es hat sich ein Förderverein für das Freibad gegründet, dessen Mitglieder viel Arbeit investiert haben, um das Freibad zu retten und den städtischen Haushalt zu entlasten und das Ergebnis ist: das Freibad ist geschlossen. Die Gandersheimer Bürgerinnen und Bürger fahren aus dem Heilbad Gandersheim nach Lamspringe und nach Düderode zum Schwimmen.

Der Bad Gandersheimer Bürgermeister als direkt gewählter und bezahlter Hauptverwaltungsbeamter trägt für diese Situation ein großes Stück Mitverantwortung, nicht zuletzt für die großen Summen, die in ergebnislose Planungen geflossen sind. Im Gegensatz zu ihm sind die Ratsmitglieder ehrenamtlich tätig und engagieren sich in ihrer Freizeit für das Wohl der Stadt. Schließlich ist er der Ort, wo sie mit ihren Familien leben, einkaufen und ihre Freizeit verbringen. Das unterscheidet sie übrigens auch von Herrn Ehmen, der bekanntlich in Göttingen lebt und hier nur seinen Job macht. Die Ratsmitglieder wollen dazu beitragen, dass es mit der Stadt nicht weiter nach unten geht. Sie dafür lächerlich zu machen, lenkt nicht nur von den Schwächen des Bürgermeisters ab, sondern stärkt noch die Politikverdrossenheit der Bürgerinnen und Bürger. Wer soll sich noch bereit finden, ehrenamtlich Kommunalpolitik zu machen, wenn er in der Presse als Depp dargestellt wird?

Dietmar Jürgens 37581 Bad Gandersheim