Anja Görlach, Ortsvereinsvorsitzende der SPD Bad Gandersheim und Ratsmitglied, nimmt zur aktuellen Situation rund um die geplante(n) Hähnchenmastanlage(n) Stellung: Zu dem am 17. August veröffentlichten Leserbrief möchte ich als Ratsmitglied und engagierte Bürgerin dieser Stadt Stellung beziehen. Ich bin, wie viele andere Bürgerinnen und Bürger, gegen Mastanlagen. Generell aus Aspekten der Tierhaltung, aber in diesem Fall auch wegen der negativen Folgen für unsere Stadt und Dörfer.

Sehr geehrter Herr Vollhardt, liebe Leserinnen und Leser,

zu dem am 17. August veröffentlichten Leserbrief möchte ich als Ratsmitglied und engagierte Bürgerin dieser Stadt Stellung beziehen. Ich bin, wie viele andere Bürgerinnen und Bürger, gegen Mastanlagen. Generell aus Aspekten der Tierhaltung, aber in diesem Fall auch wegen der negativen Folgen für unsere Stadt und Dörfer. In dieser Sache gemeinsam an einem Strang zu ziehen muss und sollte für uns alle oberste Priorität haben. Deshalb versuche ich den Sachverhalt darzustellen und verschiedene Argumente, die durcheinander gewürfelt scheinen, ins rechte Licht zu rücken.

Zur Sachlage: Der angesprochene Flächennutzungsplan Nr. 36, mit der Zweckbestimmung Golfplatz, wurde noch vom alten Rat im April 2011 zur Änderung behandelt. In der Begründung der Sitzungsvorlage für die Änderung hieß es: „Nach Einschätzung der Verwaltung wird eine Golfplatzanlage an dieser Stelle langfristig, schon aufgrund der Eigentumsverhältnisse, nicht zu realisieren sein. Es wird daher vorgeschlagen, auch um die Beschränkungen auf den übrigen landwirtschaftlichen Flächen aufzuheben, die Darstellung eines Golfplatzes insgesamt aufzugeben und die im beigefügten Übersichtsplan gekennzeichneten Flächen ausnahmslos wieder als `Flächen für die Landwirtschaft´ darzustellen.“

Nach den Beratungen im Landkreis und den Stellungnahmen sowie der öffentlichen Auslegung der Änderungen musste der neu gewählte Rat in seiner zweiten Sitzung im Dezember 2011 über die Anregungen und die weitere Vorgehensweise entscheiden. Dazu gab es kontroverse Diskussionen und anschließend eine namentliche Abstimmung im Rat, die knapp ausgegangen ist und leider die Änderungen aus dem April 2011 nicht verhindern konnte. Das entsprechende Protokoll dazu ist übrigens einsehbar im Ratsinformationssystem/Sitzungssuche Rat 15.12.2011.

Der Rat und auch der Landkreis haben die Beantragung zu 2 Hänchenmastställen mit je 42.000 Mastplätzen (84.000) für den Bereich Clus Schülerkamp abgelehnt und hiergegen hat der Landwirt geklagt. Die Mehrheitsentscheidung des Rats für die Änderung des Flächennutzungsplans mit der oben beschriebenen Begründung hat das Gericht jedenfalls jetzt als Argumentation genutzt, obwohl im Dezember 2012 der Rat diesen Beschluss bereits wieder aufgehoben hatte. Das Gericht wertet dies als eine Verhinderungsplanung und fordert den Landkreis auf, über den Antrag auf Genehmigung der Hähnchenmastställe neu zu entscheiden. Aus dem Urteil geht klar hervor, dass die Stadt auch den Wandlungs- und Strukturanpassungsprozess als Begründung angeführt hat. Das erwähnte Zitat zum Bebauungsplan und einer Veränderungssperre wird als eine Aussage des Klägers (betroffener Landwirt) angeführt und fängt an mit: „Nach Auffassung der Klägerin …. hätte die Beigeladene durch …“.

Auch der SPD Vorstand und die SPD-Fraktion hat sich seinerzeit mit dem Thema Veränderungssperre (VSP) befasst. So gibt es bereits getroffene Gerichtsurteile die besagen: (Zitat Gerichtsurteil BVerwG 4 CN 16.03)

Eine Veränderungssperre darf erst erlassen werden, wenn die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll (stRspr, z.B. BVerwG, Urteil vom 10. September 1976 - BVerwG 4 C 39.74 - BVerwGE 51, 121 <128>; Beschluss vom 27. Juli 1990 - BVerwG 4 B 156.89 - ZfBR 1990, 302; Beschluss vom 25. November 2003 - BVerwG 4 BN 60.03 -). Wesentlich ist dabei, dass die Gemeinde bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans entwickelt hat. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht nicht aus. Denn wenn Vorstellungen über die angestrebte Art der baulichen Nutzung der betroffenen Grundflächen fehlen, ist der Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans noch offen. Die nachteiligen Wirkungen der Veränderungssperre wären - auch vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG - nicht erträglich, wenn sie zur Sicherung einer Planung dienen sollte, die sich in ihrem Inhalt noch in keiner Weise absehen lässt (BVerwG, Urteil vom 10. September 1976 - BVerwG 4 C 39.74 - BVerwGE 51, 121 <128>; Beschluss vom 5. Februar 1990 - BVerwG 4 B 191.89 - ZfBR 1990, 206). Ein Mindestmaß an konkreter planerischer Vorstellung gehört auch zur Konzeption des § 14 BauGB. Nach seinem Absatz 2 Satz 1 kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Ob der praktisch wichtigste öffentliche Belang, nämlich die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung, beeinträchtigt ist, kann aber nur beurteilt werden, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht noch völlig offen sind.

Nach dieser Rechtslage und der Begründung des Gerichts gerade in Bezug auf die Verhinderungsplanung ist es nur verständlich, dass kein Geld für eine Berufung in die Hand genommen wird. Der Ausgang ist absehbar, das müsste auch Nicht-Juristen bewusst sein und es wäre unverantwortlich, die Gelder unserer Stadt in aussichtslose Vorhaben zu investieren. Ich bin unter anderem auch dafür gewählt worden und werde meine Haltung hier nicht aufgeben.

Unabhängig davon, ob es in der Zukunft eine Veränderungssperre geben wird, ist nicht entschieden worden ob das Vorhaben zur Errichtung von zwei Hähnchenmastställen mit insges. 84.000 Mastplätzen für den Bereich Clus genehmigungsfähig ist. Auch hier wird es erst eine Auslegung der Planung geben müssen, so wie in dem anderen Vorhaben zur Planung von 52.900 Mastplätzen in der Gemarkung Clus (Bereich Meine) auch. Danach erfolgt dann auch eine Beratung der Einwendungen. In dem letzteren Fall hatte der Landkreis die 1. Anhörung der Einwendungen im Waldschlößchen abgebrochen. Eine zweite Anhörung wird es nicht geben, da nach Bericht auf GK-online der Landkreis bestätigt hat, dass die Beantragung zurückgezogen wurde.

Das Thema Hähnchenmast ist erst übrigens völlig unabhängig von dem Thema Windkraft zu betrachten, weil auch die Ausgangslage eine völlig andere ist. Vorbehaltsflächen auszuweisen bedeutet im Fall Hähnchenmast, dass wir eine Fläche für Hähnchenmast ausweisen und dann dort eine Mastanlage gebaut werden darf. Wollen wir das? Ich will das nicht und im Übrigen auch die gesamte SPD-Fraktion nicht. Deshalb sind Vorbehaltsflächen ein guter Gedanke, nur würde uns dieser nachher auf die Füße fallen. Denn eine Hähnchenmastanlage an einem Ort unserer Wahl ist keine Alternative.

Im Sinne der Windkraft haben wir bereits eine Vorbehaltsfläche ausgewiesen. Hierzu werden Rechtsauskünfte angefordert und es wird nach der Sommerpause Informationsveranstaltungen für die Bürgerinnen und Bürger geben. Eine öffentliche Veranstaltung ist für den 01. Oktober 2015 geplant. Dort werden hoffentlich alle Unklarheiten beseitigt und den Bürgerinnen und Bürgern eine rechtskräftige Botschaft mit auf den Weg gegeben. Bis dahin sollten wir es vermeiden, Unruhe zu stiften. Denn eine öffentliche Veranstaltung für ausführliche Informationen ist doch eigentlich das, was wir wollen und wofür auch die Bürgermeisterin angetreten ist.

Ich möchte alle Gegner dieser Hähnchenmastanlagen eindringlich bitten: Lassen Sie uns gemeinsam an einem Strang ziehen, in den Dialog treten und alles dafür tun, die Anlagen zu verhindern. Als gewähltes Ratsmitglied stehe ich für jeden Austausch dieser Art zur Verfügung, im Übrigen gilt das für alle Vertreter der SPD-Fraktion und des SPD-Ortsvereins.

Erlauben Sie mir, lieber Herr Vollhardt, noch eine persönliche Ergänzung. Als Ratsmitglied und Bürgerin dieser Stadt bin ich, wie eingangs erwähnt, gegen eine solche Mastanlage. Es war die SPD, die diesmal mit den Grünen 2012 den Antrag des Linken Abgeordneten, die Flächennutzungsplan-Änderung zurückzunehmen, unterstützt hat. Dass das Gericht diese Änderung jetzt für unwirksam erklärt, ist ein Rückschlag. Umso mehr sind unsere gemeinsamen Anstrengungen gefordert, dieses Vorhaben zu verhindern. Nicht nur in mir und meinen Genossinnen und Genossen haben Sie Kämpfer für Ihre Sache – auch in der Verwaltung und allen voran bei unserer Bürgermeisterin gibt es erheblichen Widerstand. Diese Situation erfordert jetzt all unser Bemühen! Sie sollten um Ihre Mitstreiter wissen, sollten wissen dass die Verwaltung trotz Sommerpause intensiv nach Möglichkeiten sucht, sich als Stadt gegen das Vorhaben zu wehren. Wir beide haben uns bereits über die Thematik der Veränderungssperre und ihrer Chancen und Risiken unterhalten und Sie kennen meine Sicht der Dinge. Umso verwunderter bin ich darüber, dass der Dialog jetzt über die Presse fortgeführt wird. Sie werfen den Beteiligten Untätigkeit vor und scheinen zu vergessen, dass das Gerichtsurteil erst von Mitte Juni stammt. Seien Sie versichert: Wir im Rat wehren uns weiterhin vehement und auch die Verwaltung schöpft ihre Möglichkeiten aus. Ich freue mich, wenn wir gemeinsam und sachlich, mit der Verwaltung und der Bürgermeisterin, diese Sache abwenden können und danke Ihnen für Ihre Ratschläge, die sicherlich auch in Zukunft kommen und dankend angenommen werden. Vielleicht beim nächsten Mal in Form eines gemeinsamen Leserbriefs, in Form von gemeinsamen Gesprächen und gebündelten Fähigkeiten.

Anja Görlach

Leserbrief im Gandersheimer Kreisblatt zur Hähnchenmastanlage, auf die Anja Görlach sich in ihrem Leserbrief bezieht.